Freundschaft ist ein wichtiger Teil der Netzwerkorientierung © ViewApart / fotolia

Vom Glueck der Freundschaft

Wir verbringen durch Ausgangsbeschränkungen und die Schließung von Kultureinrichtungen und Sportvereinen jetzt viel Zeit zuhause und damit allein oder mit einer sehr eng begrenzten Zahl an Menschen. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach Kontakt zu Anderen und viele sind froh, wenn sie sich über die aktuellen Entwicklungen mit Freuden und Freundinnen austauschen können. Zwischenmenschlicher Kontakt erleichtert es, in der Krise optimistisch und handlungsfähig zu bleiben.

Freundschaft ist Teil des Resilienzschlüssels Netzwerkorientierung. Diverse Kontakte, Beziehungen und natürlich Freundschaften haben wir im besten Fall schon aufgebaut, bevor wir „im Fall der Fälle“ Unterstützung für uns in Anspruch nehmen müssen. In der Krise können wir dann auf sie zurückgreifen. Freundschaft ist eine freie Bindung, die zwar Pflege braucht – aber dennoch meist mehr Freiraum lässt als Liebesbeziehungen. „Du, ich bin in nächster Zeit bis obenhin beschäftigt – ich melde mich wieder, sobald es meine Zeit zulässt“ oder „Ich bin jetzt erstmal weg…“: Das geht bei einer Freundschaft. Aber bei einer Liebesbeziehung eher nicht. Wilhelm Schmid stellt in seinem Büchlein „Vom Glück der Freundschaft“ noch mehr Eigenschaften vor, die diese besondere Beziehung namens „Freundschaft“ ausmachen.

Nach Schmid geht ein Leben ohne Liebe, aber ein Leben ohne Freundschaft – vor allem zu sich selbst – geht nicht… vorausgesetzt wir wollen ein schönes, erfülltes, bejahenswertes Leben. Freundschaft zu sich und anderen ist demnach ein wichtiger Beitrag für ein resilientes Leben.

Selbstcheck zu Freundschaft

Bevor Sie weiterlesen bitte ich Sie, sich ein paar Gedanken zu machen: Wer ist Ihr bester Freund, Ihre beste Freundin? Wenn es nicht nur eine/r ist, wie viele beste Freund*innen haben Sie? Wie pflegen Sie diese Freundschaften? Und wie halten Sie es mit guten Freund*innen? Sicher haben Sie auch noch Sportsfreund*innen, Geschäftsfreund*innen und evtl. auch Parteifreund*innen… Was lieben und genießen Sie in diesen Freundschaften? Was fehlt Ihnen möglicherweise, wenn solche Freundschaften auseinander gehen? Was ändert sich, wenn Sie diese Freundschaften während der Zeit der sozialen Distanzierung nicht mehr im direkten persönlichen Kontakt pflegen können?

Fünf Arten von Freundschaft

Erstens gibt es die Lust-Freundschaft. Menschen wollen zusammen genießen, etwas zusammen unternehmen, entspannte Gespräche führen, Abwechslung und Spaß miteinander haben. Die Beziehungen bleiben meist an der Oberfläche. Kritische, persönliche Themen werden eher selten vertieft.

Zweitens gibt es die Nutzen-Freundschaft. Man versteht sich gut, kann sich gegenseitig unterstützen, unkompliziert miteinander kommunizieren, gute Geschäfte miteinander machen, sich gegenseitig empfehlen. Typische Aussage ist bei der Trennung solcher Freundschaften: „Das hat mir nichts mehr gebracht.“

Drittens gibt es die wahre Freundschaft. Bei einer solchen Beziehung sind sich die Menschen zugetan, sie nehmen Anteil, muten sich gegenseitig auch kompliziertere und schwerere Gefühle, Aussagen und Handlungen zu, und sie erleben Lust und Nutzen in ihrer Freundschaft. Die Pflege einer solchen Beziehung braucht jedoch Zeit. Sie trägt und währt in der Regel lange Zeit.

Viertens gibt es virtuelle Freundschaften. Die Kontaktmöglichkeiten sind unbegrenzt. Der Schutzraum des Virtuellen bietet gerade auch für Menschen viele Kontaktchancen, die ihnen sonst aufgrund von Berührungsängsten, Schüchternheit oder fehlender Barrierefreiheit nicht so möglich wären – so Schmid. Virtuelle Kontakte entstehen oft primär als Nutzen- und Lust-Freundschaften, z.B. Facebook-Gruppen von Studierenden, Xing-Gruppen von HR-Verantwortlichen. Wahre Freunde können sich dieser Medien natürlich auch zunutze machen. Und gerade unter solchen abrupt veränderten Umständen wie während der Corona-Krise erkennen wir, wie wichtig auch der Kontakt über Chat, Telefon und in verschiedensten Programmen für virtuelle Treffen (im weitesten Sinne) sind. Virtuelle Kanäle sind momentan eine wichtige und oft die einzige Möglichkeit, den Kontakt zu Freund*innen aufrecht zu erhalten.

Sinn und Glück, dazu trägt wahre Freundschaft bei. Da ist jemand, der einem wichtig ist. Wir haben Interesse für einander. Dabei lebt jeder in seiner Welt und diese Welten können dann in Gesprächen „kurzgeschlossen“ werden. Der Freund/die Freundin nimmt uns wahr, sieht Verändertes und Entwicklung der Persönlichkeit. An der Stimme erkennt er/sie, wie es uns gerade geht. Auch Unangenehmes und Ängste haben in einer solchen Freundschaft Platz.

Freundschaft hat jedoch ein großes Problem: Sie leidet immer wieder an mangelnder Aufmerksamkeit. Auch wachsende Unterschiede können sie gefährden.

Die wichtigste Freundschaft ist daher die Freundschaft mit sich selbst. „Wer mit sich selbst im Reinen ist und sich selbst mag, der kann auch Andere mögen und für sie da sein.“ Oft frage ich in meinen Trainings die Teilnehmer*innen: „Können Sie mit voller Überzeugung sagen, ICH MAG MICH?“ Das können leider die wenigsten und auch ich habe Tage, an denen ich einige Einschränkungen mache…

Die Art unserer Beziehung zu uns selbst zeigt sich besonders in unseren Selbstgesprächen. Diese variieren von kritisch bewertend bis hin zu wohlwollend verzeihend. Allerdings überwiegen bei vielen Menschen die kritischen Kommentare.

Selbstbesinnung zu Freundschaft mit sich selbst und anderen

Wilhelm Schmid schlägt eine Selbstbesinnung anhand von 7 Fragen vor:

  1. Was sind Ihre wichtigsten Beziehungen der Liebe und der Freundschaft?
  2. Was sind die wichtigsten Erfahrungen in Ihrem Leben, an die Sie sich erinnern wollen?
  3. Was ist Ihr Traum, Ihr Lebensziel? Klären Sie für Ihr Leben: „Wohin wollen Sie, wofür und wozu wollen Sie das?“
  4. Was sind Ihre wichtigsten Werte, die Sie realisieren möchten? (Freiheit, Bindung, Risiko, Sicherheit…)
  5. Welche Gewohnheiten wollen Sie pflegen, welche Charakterzüge stärken?
  6. Was sind Ihre Ängste, Verletzungen, Traumata, die alle auch zu Ihrem bisherigen und aktuellen Leben dazu gehören?
  7. Was ist das Schöne, an dem ich mich in meinem Leben orientieren kann? (Schöne Momente, Anblicke, Gespräche, Gedanken, Musik…)

Menschen erzählen sich gerne ihre Lebens-Geschichte. Erzählen Sie sich mit obigen Fragen Ihre eigene Geschichte. Am besten schreiben Sie die wichtigsten Eckpunkte auf oder halten Sie diese bildlich für sich fest. So vergewissern Sie sich Ihrer selbst. Sie gestalten Ihr Lebensbild. Sie freunden sich mit sich selbst an, auch mit den Seiten Ihrer Persönlichkeit, die Sie vielleicht – bisher – nicht so mochten.

Wenn Sie mit sich selbst zu einem freundschaftlichen Verhältnis gekommen sind, dann haben Sie einen Grundpfeiler für Ihre Netzwerkorientierung und damit Ihre Resilienzentwicklung gelegt. Denn ohne sich selbst zu mögen, können Sie nur schwerlich echten, vertrauensvollen Kontakt zu anderen aufbauen. Und auch nur mit einer verständnisvollen Beziehung zu sich selbst können Sie sich darüber klar werden, welche und wie viele Freundschaften Sie für Ihr eigenes Wohlbefinden brauchen  – denn Netzwerkorientierung bedeutet, das eigene Netzwerk nach den eigenen Bedürfnissen zusammenzustellen und zu pflegen. Ein introvertierter Mensch muss dafür in keinem Fall zum Partylöwen werden – akzeptieren und mögen Sie sich vielmehr, so wie Sie sind. Eben wie Sie es bei einem guten Freund, einer guten Freundin tun würden!

Zum Weiterlesen zu Freundschaft:

Zu diesem Beitrag habe ich mich inspirieren lassen von den Gedanken aus

  • Schmid, W. (2014). Vom Glueck der Freundschaft, Berlin: Insel Verlag


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